Zehntklässler beschnuppern das Handwerk

Eine ungewöhnliche Unterrichtsstunde

Westfalenpost vom 11.01.2023 von Antonia Mertens
Die Schulglocke schellt pünktlich um 9.40 zur dritten Stunde an der Realschule Balve. Doch anstelle eines Lehrers stehen vier junge Männer vor der Klasse 10b. Leon Severin ist Ausbilder bei der Firma Rickmeier und besucht heute gemeinsam mit seinen Auszubildenden seine ehemalige Schule.Das Projekt „Experten in die Schule“ findet zum ersten Mal an der Realschule Balve statt. Dabei wird den Schülerinnen und Schülern das Handwerk näher gebracht. Dafür haben sie für jede Klasse der zehnten Stufe eine Doppelstunde mit Informationen über Rickmeier, dessen Anwendungsbereiche und Ausbildungsmöglichkeiten und einer berufsnahen Übung vorbereitet. Nach einer kurzen Präsentation über die Firma wird das theoretische Wissen im Praktischen getestet. Dafür haben die Auszubildenden verschiedene Formen und Körper aus Aluminium und Kunststoff mitgebracht. Die Aufgabe ist, das Volumen und anschließend die Masse der Quadrate, Zylinder und Kugeln auszurechnen.
„Vielen Schülern fällt es viel leichter zu rechnen, wenn man die Formen auch sieht“, sagt Ralf Ostmann, Mathelehrer des Hauptschulzweigs der zehnten Klasse. Die Körper und Messschieber für diese Übung haben die Auszubildenden selbst mitgebracht. „Die Formen wurden mit der Maschine gemacht. Einen Würfel muss man aber auch feilen können“, berichtet Severin. Die Rechenaufgaben bieten ein erstes Schnuppern in den Ausbildungsberuf des Zerspanungsmechanikers. Gerade das Messen sei eine wichtige Grundlage, die die Auszubildenden gleich zu Beginn lernen, so Severin.
Am Tag der offenen Tür sprach Ostmann seinen ehemaligen Schüler Leon Severin an, ob es möglich wäre, die Formen für den Matheunterricht zu bekommen. „Es ist schwierig, die Formen richtig an der Tafel zu zeigen“, begründet der Mathelehrer. Dazu seien vernünftige Modelle mit Maßen im Kommabereich auch spannender im Unterricht, so Ostmann. Aus der Idee entstand die Wiederbelebung der Aktion „Experten in die Schule“, welche zuletzt im Jahr 2015 in der ehemalig benachbarten Hauptschule stattfand. Fortlaufend soll das Projekt auch in den kommenden Jahren wiederholt werden, so Ostmann.
Auch die Schulleiterin Nina Fröhling befürwortet das Projekt: „Alles, was für die Kinder gut ist, genehmige ich gerne“. Sie findet, dass Unterricht Spaß machen soll. Dabei könne Abwechslung im Schulalltag nicht schaden. Dazu ist ihr auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler eine andere Perspektive auf das Gelernte bekommen. „So bekommt theoretisches Wissen eine praktische Anwendung“, sagt sie.
Leon Severin ist 20 Jahre alt und bereits Ausbilder im gewerblich-technischen Bereich. 2018 schloss er die Realschule ab und begann die Ausbildung bei Rickmeier. „Das Handwerk hat Zukunft. Durch eine Ausbildung ist man schnell auch finanziell unabhängig.“, findet er. Er ist vom Handwerk begeistert und hofft, ein paar der Schülerinnen und Schüler damit anzustecken.
Die Auszubildenden setzen auf das Handwerk
Auch der 20-jährige Veit Bonrath entschied sich aktiv für eine handwerkliche Ausbildung. „Ich habe schon eine Ausbildung zum technischen Produktdesigner gemacht, aber ich wollte mehr als nur vor dem PC zu sitzen“, erklärt er. Gemeinsam mit den anderen beiden Auszubildenden Matthis Brinkschulte und Dean Gödde begann er die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker im August vergangenen Jahres.
Gödde ist 16 Jahre alt und schloss seine schulische Laufbahn im letzten Jahr ab. „Mein Abschlusszeugnis war zwar okay, aber Schule ist nicht so meins“, sagt der 16-Jährige. Er glaubt, dass viele, die nach der Schule studieren, noch nicht so ganz wissen, was sie später arbeiten wollen. „Viele meiner Freunde machen auch Abitur und entscheiden sich im Nachhinein doch für eine Ausbildung“, erzählt er. Mit seiner Entscheidung, eine Ausbildung bei Rickmeier zu machen, ist er auch immer noch sehr zufrieden. „Wir bekommen viel Unterstützung bei Rickmeier. Die ersten Projekte, die wir machen, sind Übungsstücke. Anfangs Fehler zu machen ist okay. Ich finde, das ist eine gute Einstellung“, sagt Gödde.
Auch Brinkschulte war immer eher dem Handwerk als einem Studium zugewandt. „Ich habe erst ein Praktikum bei Rickmeier gemacht und dann die Ausbildung angefangen“, sagt er. Besonders gefällt ihm bei Rickmeier, dass er mit den anderen Azubis auch in seiner Freizeit viel unternehme. Das Projekt in der Schule gefällt ihm sehr, auch wenn es ungewohnt ist, auf der anderen Seite im Klassenzimmer zu stehen.

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